LBS 2012: foursquare, Facebook Places und Yelp

Immer wenn ich einen Ort jedweder Art betrete, wundern sich so manche meiner BegleiterInnen immer noch darüber, dass ich als erstes mein Smartphone zücke, um einzuchecken. Dieses Ritual zu erklären, wirft meist eher noch mehr Fragen auf, als sie zu beantworten. Dass Location Based Services (LBS) wie foursquare (fsq) oder Facebook (Fb) Places mehr sind als eine Spielerei von Nerds, beweist die Entwicklung, die LBS in den letzten Jahren genommen haben. 2012 werden LBS noch prominenter, nützlicher und vor allem wirtschaftlich relevanter als je zuvor.

LBS? WTF?!

 

In ganz kurz gesagt: Location based services sind Programme (als Apps oder Desktop Versionen), die per GPS den Aufenthaltsort des Nutzers erkennen und die Meldung des Nutzers an einem bestimmten Ort erlauben („Check-In“). Die Meldung wird üblicherweise aktiv abgesetzt und erfolgt nicht automatisch. Der Check-In kann dem App-eigenen Netzwerk mitgeteilt und auf Twitter, sowie Facebook geteilt werden. Das Netzwerk kann leicht mit bestehenden Kontakten aus dem Telefonbuch, dem Facebook-Freundeskreis oder der Twitter-Followerschaft aufgebaut werden. Zu den wichtigsten Anbietern in diesem Segment, die auch in Deutschland verfügbar waren, gehörten in den letzten zwei, drei Jahren foursquare, Friendticker, Gowalla und Facebook Places. Als nennenswert übrig geblieben sind Ende 2011 foursquare und Facebook Places – Facebook hat Anfang Dezember das verendete Gowalla gekauft und will dem Dienst neues Leben einhauchen. Vermutlich auch, um dem eigenen Dienst Places 2012 endlich auf die Sprünge zu helfen.

 

Warum foursquare und nicht Facebook Places? Gamification!

 

foursquare ist der deutlich erfolgreichste LB-Dienst weltweit (über 10 Millionen User) und hierzulande (ca. 100.000 User, geschätzt). Der Dienst wird mit rund 600 Millionen US-Dollar bewertet.

 

Als Facebook Places Ende 2010 in Deutschland startete, war zu Recht ein Untergang von foursquare zu befürchten: Hatte Facebook doch die deutlich höhere Nutzerzahl und Akzeptanz! Dem gemeinen FB-User LBS nahezubringen sollte ein Kinderspiel sein.

 

Doch genau dieses Kinderspiel ist Facebook nicht gelungen, man hat es nicht wörtlich genommen. Denn was LBS mit foursquare so einzigartig macht, sind die Gamification-Funktionen.

 

foursquare ist bislang der beste Dienst mit Spiel-Character, der aus dem simplen Check-In einen Wettbewerb um die Mayorschaft in Büros, Bars und sogar U-Bahn-Stationen macht. Wer über foursquare eincheckt, erhält Punkte, anlass- oder ereignisbezogene Abzeichen („Badges“), wer am häufigsten an einem Ort eincheckt, wird sogar „Mayor“ (Bürgermeister) – nicht nur ein Signal für häufige Besuche, sondern auch ein Ausdruck der starken Identifikation mit dem Ort. Ganz ehrlich: Wer möchte nicht Mayor der Lieblingsbar werden? Oder umgekehrt: Wer möchte ernsthaft Mayor des lokalen Zahnarztes sein? Außerdem gibt es Punkte für jeden Check-In und ein internes Ranking, das spornt den an, der sich gern Wettbewerben hingibt.

 

Gamification gehört zu den wichtigsten Trends 2012 und verknüpft mit den 2011-Trends „local“ und „mobile“ ist es sehr wahrscheinlich, dass LBS weiter Verbreitung finden. Das Nutzerwachstum in den letzten Jahren jedenfalls war beeindruckend und es gibt keinen Grund, warum sich die Verbreitung 2012 nicht fortsetzen sollte, eher im Gegenteil.

Und was nutzt das nun?

 

LBS ermöglichen neben aller Spielerei, virtuelle Kontakte real zu treffen. Wer bei fsq eincheckt, sieht, wer am gleichen Ort ist, oder anhand der Gesamtübersicht, wo andere fsq-Freunde sich gerade aufhalten. Mittlerweile kann man sogar in Flugzeuge und Züge einchecken und so die Reisezeit für neue Kontakte sinnvoll nutzen.

 

Kleiner Exkurs: Als überzeugte Android-Nutzerin war ich kürzlich zweimal zu einer Marktforschung bei XING eingeladen, um die neue Android-App zu bewerten. Beide Male musste ich LBS erklären (!) und habe ausdrücklich empfohlen, solche Funktionalitäten in die mobilen XING-Apps aufzunehmen. Beide Male vergeblich. Die App ist nicht nur unpraktisch, sondern auch langweilig geworden.

 

Zunehmende Mobilität des Einzelnen, die mobile Nutzung des Internets und Smartphone-Verbreitung setzen sich in 2012 fort. Mobile Internet-User werden verstärkt nach Apps verlangen, die ihnen unterwegs echten Nutzen bringen: entweder für die Netzwerk-Erweiterung, Informationsgewinn oder wirtschaftliche Vorteile.

 

Der wirtschaftliche Nutzen

 

Welchen wirtschaftlichen Nutzen kann fsq den Usern bieten und vor allem den lokalen Unternehmen? Tatsächlich wird beiden Seiten geldwerter Vorteil verschafft, und zwar so: Empfehlungen aus dem LBS-Netzwerk, die User als „Tipps“ hinterlassen, kommunizieren Empfehlungen an die anderen User, die diese motivieren, die Location ebenfalls zu besuchen. So lassen sich für Unternehmen (Bars, Hotels, Restaurants, Shops) neue Kunden oder Gäste gewinnen. Das Mayorship als solches fungiert selbstverständlich auch als Empfehlung, sogar ganz ohne Tipps, und allein der Eintrag auf fsq kann einen neuen Besucher auf eine Location aufmerksam machen, wenn dieser nach Locations in der Nähe sucht.

 

Außerdem können Unternehmer mit „Specials“ neue Kunden anziehen: Entweder als Freigetränk für den Mayor, Rabatt für jeden Check-In (so macht es die kopiba in Hamburg), oder als Willkommens-Geschenk für den ersten Check-In. foursquare erlaubt mehrere Specials parallel, so dass der Unternehmer anhand der bereitsgestellten Statistiken gut vergleichen kann, welches Special am Besten funktioniert. Der wirtschaftliche Vorteil für den Gast liegt dabei auf der Hand.

 

Wichtig für Unternehmer: Alle Angestellten müssen wissen, dass der Arbeitsplatz auf foursquare angelegt ist und evtl. ein Special anbietet, falls Gäste danach fragen. Das Anlegen von Specials ist kinderleicht: Wer einen Ort als seinen eigenen geclaimt hat (telefonisch oder per e-Mail) richtet sein Sonderangebot ganz einfach mit Hilfe eines Wizards ein und das Special wird zusammen mit der Location auf foursquare angezeigt.

 

Die Anzahl der Specials und die Nutzung seitens der Unternehmen ist hierzulande noch äußerst niedrig. Unternehmen haben 2012 noch sehr gute Chancen, mit cleveren Sonderangeboten aufzufallen und sich von Wettbewerbern abzuheben. Dienst und Special-Anmeldung sind kostenfrei und erfordern lediglich Zeitaufwand für Pflege und Monitoring. 

Wir geht es weiter mit Facebook Places?

 

Wie schon eingangs erwähnt, hat Facebook im Dezember 2011 Gowalla gekauft. Bisher war es bei Facebook Places nur möglich, einzuchecken. Die bei FB „Deals“ genannten Specials haben sich nie richtig entwickelt, es fehlt der Gamification-Charakter, der Nutzen für den User blieb überschaubar. Ein Grund dafür, dass Facebook Places sich trotz überragender Nutzerzahlen nicht gegen foursquare durchsetzen konnte.

 

Es bleibt abzuwarten, wie Facebook nun mit dem Thema LBS umgeht, aber es ist davon auszugehen, dass der nächste Anlauf erfolgreicher sein wird. Diese Schlappe kann und wird Facebook nämlich nicht auf sich sitzen lassen. Und entdecken die Facebook-User erst die Vorteile von LBS in der Breite, ist es für das Unternehmen von Vorteil, schon erste Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt zu haben, um dann für die Masse an Facebook-Usern ganz schnell ganz vorn mit dabei sein zu können.

LBS-Trends 2012: Charity & Augmented Reality

 

Noch weitesgehend ungenutzt sind neben Specials Charity-Funktionen in LBS. Der Nutzen des Check-Ins kommt dabei nicht dem User, sondern einem sinnvollen Zweck zugute. Unternehmer können den guten Zweck und ihre CSR-Aktivitäten unterstützen, in dem sie für jeden Check-In einen bestimmten Betrag spenden. Das hat mehrfach positive Effekte: Die CSR-Aktivität wird simpel und unaufdringlich kommuniziert, ist wegen fehlender kommerzieller Verbindung („Für jeden gekauften XXX spenden wir...“) äußerst glaubwürdig und kann dank der social sharing-Funktionen der LBS im Netz verbreitet werden.

 

Auf einen technischen Trend setzt der amerikanische Bewertungsdienst Yelp, der aktuell in Deutschland verstärkt Wurzeln schlägt. Als eine Mischung aus Qype und fsq ergänzt er seine App um eine AR-Funktion: Das Smartphone blendet innerhalb der App mit einer Kamera Locations in der Nähe ins Sichtfeld ein, mit einer Berührung auf dem Touchscreen gelangt man zur App-Seite der Location mit Adresse, Wegbeschreibung, Telefonnummer und Bewertungen (s. Bild).

 

Fazit: LBS wachsen kontinuierlich und bieten sowohl Nutzern als auch Unternehmern klare wirtschaftliche Vorteile bei geringen Investitionskosten. Gewinnen werden die Plattformen, die neben Check-Ins auch aktuelle Trends wie Gamification und Augmented Reality nutzen.

 

Und niemals vergessen: Checke verantwortungsbewusst ein und teile die Informationen, wo Du bist, nicht mit jedem! Halunken gehen mit der Information, dass Du in der Karibik bist und Deine Wohnung leer steht, nämlich nicht in Deinem Sinne um.

 

UPDATE 13. Januar 2012: Foursquare startet die soziale Suche

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

fairsprechen
Kommunikationsberatung & Öffentlichkeitsarbeit

Nina Galla

Fon: 030- 29 35 24 90

mobil: 0173 - 544 63 63

nina.galla@fair-sprechen.com