Das LSR kommt - und was es für Social Media bedeutet

Soeben hat der Bundestag das viel diskutierte und bis zuletzt umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger beschlossen: 539 Abgeordnete stimmten ab, davon 293 mit ja, 243 mit nein und es gab drei Enthaltungen. Die namentliche Abstimmung gibt´s hübsch visualisiert hier. Das Wichtigste für uns Berater: Was heißt das jetzt konkret?

Hintergründe habe ich hier schon einmal ausführlich beschrieben. Der Gesetzestext wurde nun spontan Anfang der Woche noch einmal geändert. Die wesentlichen Elemente der Debatte, die Snippets, wurden von der Lizenzpflicht wieder ausgenommen. Ist damit nun alles gut? Nein, nicht ganz. Denn exakt heißt es:

 

"einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte"

 

sollen frei bleiben. Wie umfangreich diese Ausschnitte sein dürfen, lässt der Text offen. Hier muss ich die FDP einmal loben, die zumindest versucht hat, die Textlänge zu definieren (ob 160 Zeichen allerdings richtig sind, bleibt zweifelhaft), was die Union jedoch ablehnte. So bleibt der User und der Community Manager also weiterhin im Unklaren über:

 

  • In welchem Umfang dürfen Presseerzeugnisse verlinkt/zitiert/angezeigt werden? (und kennt Ihr überhaupt die exakte juristische Definition des Zitats um das eine vom anderen zu unterscheiden?)

 

  • Was ist eine Suchmaschine und gehören Facebook und Twitter, sowie RSS Feeds und gewerbliche Blogs mit Suchfunktion auch dazu?

 

  • Sollten soziale Netzwerke tatsächlich betroffen sein, wer ist dann lizenzpflichtig: die Plattform oder der Nutzer/Community Manager?

 

In einer Pressekonferenz gestern konnten die Regierungsvertreter auf viele Fragen dazu noch keine Antworten geben. Oft hieß es auf Fragen, dass dies die Gerichte werden klären müssen. Und das ist auch einer der Hauptkritikpunkte an diesem Gesetz: Es lässt so viel Rechtsunsicherheit zurück, dass findigen Anwälten Tür und Tor für Unterlassungen und Abmahnungen geöffnet werden. Selbst wenn die Abmahnungen gedeckelt werden, ist es in der Summe immer noch ein Millionengeschäft.

 

Ich bin kein Fan von populistischen Aufrufen nach Verlags-Boykott. Jedoch wird es angesichts der Prognose, dass die Regelung der oben genannten offenen Fragen durch Gerichte bis zu fünf Jahren dauern kann, kein Fehler sein, in Social Networks und in gewerblichen Blogs (was auch immer das ist) mit Suchfunktion auf Verlinkungen auf Verlagsinhalte zu verzichten. Auf Facebook kann man die Vorschau abschalten, aber in manchen Twitter-Clients werden Snippets und Vorschaubilder von Spiegel Online als Service angezeigt, bei den meisten Linkverkürzern kann man eine Linkvorschau einstellen. Da Twitter eine Suchfunktion hat, könnte der Dienst tatsächlich als Suchmaschine gewertet werden. Und ob eine ungekürzte URL als "kleinster Textausschnitt" gilt, ist genau eine der Fragen, die noch offen sind.

 

Einen Ausflug in die juristische Unklarheit des LSR gefällig? Bitteschön, der Telemedicus bringt es auf den Punkt:

 

Kleinste Textauschnitte bleiben lizenzfrei, Snippets sind aber keine kleinsten Textausschnitte, gleichzeitig gilt noch die Rechtssprechung des BGH, nach der jemand, der Inhalte frei zugänglich ins Netz stellt und keine technischen Maßnahmen ergreift, um Suchmaschinen an der Indizierung zu hindern, mit den „nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen” rechnen muss. „Übliche Nutzungshandlungen” sollen nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst werden. Und zu üblichen Nutzungshandlungen zählen ohne Zweifel auch Snippets, die schon seit über 10 Jahren im Internet Standard sind.

 

Die Verwirrung ist perfekt.

 

Ich kenne keinen Juristen oder Netzpolitiker, der verbindlich sagen kann, was erlaubt ist und was nicht. Vielleicht sind das Schwarzmalereien. Aber wer will schon im Namen seiner Agentur oder seines Kunden eine Abmahnung riskieren? 

 

Das in aller Kürze. Ich bin betroffen, enttäuscht und wirklich traurig, dass wir diesen Kampf verloren haben. Nun hat zwar noch der Bundesrat die Möglichkeit, Einspruch zu erheben (als Teil des Urheberrechtsgesetzes muss der Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen), das erfordert jedoch bestimmte Mehrheitsverhältnisse, weiß Wikipedia:

 

"Erhebt der Bundesrat mit einer einfachen Mehrheit den Einspruch, bedarf es im Bundestag der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder, um das Gesetz zu beschließen (Art. 77 GG). Stützt der Bundesrat seinen Einspruch mit einer Zweidrittelmehrheit, dann ist im Bundestag ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder notwendig (mindestens aber mehr als die Hälfte der Bundestagsabgeordneten), um das Gesetz zu beschließen." 

 

Und dafür muss sich die Opposition einig sein, ob das LSR ganz weg soll oder nur modifiziert werden soll. Und zuletzt hatte ich den Eindruck, als könnte das noch zu Konflikten führen: Denn so richtig gegen ein LSR ist die SPD nämlich nicht immer und überall gewesen.

 

Hierzu und vor allem zu den rechtlichen Gefahren diskutiere ich übrigens am 26. März um 13.00 im betahaus mit oseon und der Rechtsanwältin Nina Diercks. Info & Anmeldung gibt´s hier!

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Kommentare: 1
  • #1

    Nicolas Scheidtweiler (Dienstag, 05 März 2013 13:16)

    Nichts Halbes und nichts Ganzes, aber dennoch nicht ganz unwichtig. Bleibt abzuwarten, wie sich das weiter entwickelt.

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