Denkt selbst! Ein Rant gegen die Oligopolisierung in der Aufmerksamkeits-Ökonomie

Nicht nur weil es heute schon wieder 20 Zentimeter Neuschnee gibt anstatt Frühlingssonne und weil Montag ist, habe ich das große Bedürfnis, mal zu ranten. Und zwar gegen die eigenen Reihen.

Wenn ich in meinen Timelines immer wieder sehe, wie Allgemeinplätze und gecopy-und-gepastetes als innovatives Gedankengut unserer Mediengötter retweetet, gefavt und geteilt wird, als wäre es eine Offenbarung, dann runzle ich nicht selten die Stirn, was denn daran so stark sein soll. Oft genug steckt hinter einer Knaller-Überschrift nichts anderes als Dinge, die ich schon oft gelesen habe. Die sich wiederholen. Die lang bekannt sind. Unter den Absendern hat sich ein Oligopol der Aufmerksamkeits-Ökonomie entwickelt, das von dem hohen Thron aus scheinbar gar nichts Kluges mehr produzieren muss. Zuweilen wird sogar nur gepöbelt und damit die nötige Aufmerksamkeit eingeholt. Frei nach dem Steinbrück-Motto „endlich mal einer, der es ausspricht“.

 

Klar, wir Medienleute sind nicht immer die Zielgruppe und einem Handwerker-Betrieb muss erst noch erklärt werden, was ein Hashtag ist (Vereinfachung Ende)– aber warum findet solche Oberflächlichkeit auch Freunde unter den Medien-Experten, die das schon längst wissen sollten? Ihr kennt doch diese PR-Mechaniken! Ist das sowas wie ein digitales Anbiedern, weil jeder RT oder Fav die neue Beziehungspflege 2.0 ist?

 

Einer, der pöbelt, hat genauso wenig automatisch Recht wie einer, der 30.000 Follower hat. Und ich habe immer öfter das Gefühl, dass einige von Euch, die Ihr in meiner Timeline wohnt, das überhaupt nicht hinterfragen. Und das hat für mich auch was mit Medienkompetenz zu tun: Nur weil es einen berühmten Absender hat, ist es nicht zwangsläufig richtig. Oder neu. Oder die Speerspitze der Intellektualität.

 

"Content Marketing"? Nicht Euer Ernst!

Und wo ich grad dabei bin: Was soll überhaupt das mit diesem „Content Marketing“? Dass Kommunikatoren, sei es in PR oder Werbung, 2013 „relevante Inhalte“ als Trend erklären, ist nichts anderes als das verbuzzte, kleinlaute Eingeständnis, dass Dank Transparenz und Demokratisierung der Kommunikation durch das Internet und Social Web der Bullshit, den diese Menschen jahrzehntelang produziert und unters Volk gestreut haben, nicht mehr gekauft wird. Und zwar zu Recht. Wer in der Kommunikation arbeitet und das erst jetzt begreift, hat seinen Beruf verfehlt.

 

Ich bin meinem Ausbilder Team bei Grayling (früher „Trimedia“) jeden Tag dankbar, dass ich vom ersten Tag an im eher trockenen B2B-IT-Segment lernen durfte, was Content ist. Was journalistisches Denken ist. Was Mehrwert für den Empfänger bedeutet. Das macht mich sicherlich unangenehm anstrengend für manchen Kunden und Kollegen. Aber ich bleibe dabei, lieber einmal mehr zu hinterfragen als mich mit Marketing-Botschaften-Gedönse zufrieden zu geben.

 

Und jetzt will ich endlich Frühling.

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