Die Katja, der Per & der Sigmar

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Fußballer werden ja ganz gern mal für bemerkenswerte Aussagen durch das Medien- und Kommunikationsdorf getrieben. Heute ist es Per Mertesacker, der gestern nach dem Sieg gegen Algerien ein Interview gegeben hat, das die Kommunikatoren in meinen Timelines spaltet: Darf der das?

Klar darf der das. Doch nicht jede/r Interviewee, die oder der in einer öffentlichen Rolle gefühlt blöde Fragen gestellt bekommt, darf es so machen. Die Unterschiede werden klar im Vergleich mit zwei weiteren Interviews, die zuletzt zu polarisierenden Debatten geführt haben: Katja Riemann bei "Das!" und Sigmar Gabriel im "heute Journal". 

Katja kann

Da ist zunächst der Auftritt von Katja Riemann auf dem roten Sofa bei "DAS!" im NDR. Zugegeben: Der Moderator hat sich offenbar kein bisschen auf die Persönlichkeit Riemanns vorbereitet. Er hätte wissen können, dass Lifestyle Smalltalk nicht zu den Themen gehört, die diese Schauspielerin auch nur ansatzweise interessieren. 

 

Doch bei aller Kritik an den seichten Fragen und dem oberflächlichen Umgang mit Riemann: Die Künstlerin kann es unterlassen, sich auf dieses Format einzulassen. Ob es auch klug ist, steht auf einem anderen Blatt. Ein sperriges Image ist durchaus ein durchaus legitimes Ziel der persönlichen Positionierung.

 

Katja Riemann ist in ihrer öffentlichen Rolle als Schauspielerin auf die Zustimmung und die Zuneigung ihrer Zuschauerschaft angewiesen. es kommt bei ihr nicht nur auf das Können an, sondern auf die Sympathie: Es nützt dem Schauspieler (oder auch dem Sänger) nicht viel, wenn er sein Handwerk beherrscht, ihn aber niemand gern sieht.

 

Künstler, die auf die Zuwendung ihrer Fans angewiesen sind, können ihrer Meinung zum Interviewer freien Lauf lassen, sollten sich jedoch überlegen, ob sie es sich leisten können und ihr Image und ihre Zielgruppe solch ein Verhalten tragen.  

 

Weiterhin hat sie sich bewusst auf eine Interview-Situation eingelassen und wurde nicht unvorbereitet konfrontiert.

Per muss nicht

Und hier wird schon der Unterschied zu Per Mertesacker deutlich: Er ist nicht nur nicht bewusst in ein Studio gegangen, um ein Gespräch zu führen. Auch der Wert von Sympathie spielt eine andere Rolle. Die Zuneigung des Fans entscheidet nicht über den Erfolg oder Misserfolg der team-sportlichen Karriere. 

 

Für Mertesacker ist allein das Ergebnis seiner Mannschaft wichtig. Die Leistung des Kollektivs wiegt mehr als das Image des Einzelnen.

 

Ob die Mehrheit der Zuschauer und Fußballfans ihn nun für seine Persönlichkeit schätzt oder nicht, kann ihm egal sein. 

Sigmar muss

Nun könnte man meinen, dass es auch für den Politiker allein auf die Arbeit ankommt und er nicht beliebt sein muss.

 

Der Auftritt von Sigmar Gabriel im Interview mit Marietta Slomka anlässlich des Mitgliedervotums zum Koalitionsvertrag im vergangenen Jahr legt nah, dass Gabriel so denkt. Noch inspiriert vom polterigen Peer Steinbrück, der im vorangegangenen Wahlkampf auch hier und da vergessen hat, sympathisch zu sein, zeigt sich Gabriel in diesem Interview ähnlich wie Mertesacker und Riemann wenig angetan von den Fragen der Interviewerin. 

 

Doch Gabriel unterscheidet von Riemann und Mertesacker seine deutlich umfangreichere Rolle in der Öffentlichkeit: Er ist kein Unterhalter. Er ist ein Gesellschaftsgestalter und Volksvertreter, der über die Zukunft seiner Mitmenschen mitentscheidet. Es kommt bei ihm nicht auf eine sympathische Verpackung des Könnens an. Es kommt auch nicht allein auf die Leistung an. 

 

Es kommt bei einem Politiker auf die Sensibilität für die eigene Rolle an: Der Beruf erfordert das Feingefühl dafür zu haben, wann kantig gepoltert und wann Informationsbedürfnisse sachlich und geduldig erfüllt werden müssen.

 

Der Journalist muss den Politiker kritisch hinterfragen, wie doof oder unbequem auch immer die Fragen in dem Moment sein mögen. In seiner Rolle und Verantwortung als Volksvertreter muss der Politiker mit diesen Situationen umgehen können und sich stets professionell verhalten.

Der Unterschied zwischen Politik und Unterhaltung

Ein Fußballspieler muss das nicht. Auch wenn der Fußball eine große Rolle spielt in unserer Gesellschaft: Der Sport dient unserer Unterhaltung und Verhaltensregeln gehören reduziert auf Fairplay und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein.

 

Vielleicht sollten wir eher mal diskutieren, ob es angemessen ist, wenn Profifußballer sich scheinbar nicht mit der politischen Situation ihres Gastgeberlandes Brasilien auseinandersetzen. 

 

Ein gesundes politisches Verantwortungsbewusstsein würde dem Spiel gut tun. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Robin (Dienstag, 01 Juli 2014 15:18)

    "Ob die Mehrheit der Zuschauer und Fußballfans ihn nun für seine Persönlichkeit schätzt oder nicht, kann ihm egal sein."

    An sich stimmt das. Es gibt unzählige Fußballfans, die Oliver Kahn als Mensch furchtbar fanden (und finden), aber trotzdem muss jeder einzelne zugeben, dass er trotzdem ein Ausnahmespieler gewesen ist.

    Der Artikel ignoriert irgendwie den Umstand, dass es tatsächlich auch so richtig blöde Reporterfragen gibt. Gerade Mertesacker scheint seine offene Genervtheit jetzt nicht gerade geschadet zu haben. Im Gegenteil, viele fanden es toll, eher hat er noch Sympathiepunkte dazu gewonnen. Einfach nur deswegen, weil viele nachvollziehen können, wie unglaublich anmaßend es eigentlich ist, nur drei Minuten nach Abpfiff von völlig abgekämpften Sportlern intelligente Statements zum Spiel oder gar Rechtfertigungen zu verlangen. Wenn dann noch eine solche Situation hinzu kommt - ein Sieg, der nicht unbedingt verdient war - ist Mertesackers Reaktion verständlich und auch sehr authentisch.

    Ob eine Reaktion gezeigt werden "darf", hängt von der vorherigen Aktion ab. Wer dumme Fragen gestellt bekommt, darf das mMn auch deutlich kommunizieren.

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